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Martin L.
ROMA AMOR: Femmina
"Solo per te, soltanto per l'amore ..."
Kategorie: Rezension
Erstellt: 21.12.2009
Wörter: 859
Artikelbewertung:
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Das italienische Duo ROMA AMOR kursiert schon seit Ende 2007 als Geheimtip unter den NONPOP-Redakteuren, dank der Initiative unseres Autoren Roy L., der die Gruppe via Myspace entdeckte. Im April 2008 erschien dann auf OLD EUROPA CAFÉ das Debütalbum "Roma Amor". Trotz ihres Namens, eines klassischen Anagramms, stammen EUSKI und CANDELA nicht aus der ewigen Stadt, sondern aus der Region Emilia-Romagna, genauer gesagt aus der Nähe von Rimini, wo auch der große FEDERICO FELLINI geboren wurde. Mich persönlich hat vor allem der Song "A cosa pensi" ("Woran denkst du?") sofort für das Projekt eingenommen. Der wunderbare, freischwebende und dabei melancholische Gesang, die einprägsame Melodie und last not least der lyrische Text, dessen fließende Musikalität auch dem ins Ohr geht, der nicht Italienisch spricht –
Al morire del giorno di una stazione deserta, ruzzolar disordinato di una lacrima persa Al ronzio vendicativo delle onde del mare una storia a lieto fine che dovrá incominciare Al mondo sempre teso fra i sogni e le stelle all aero che parte vende cara la pelle Al cane da passeggio di una vera signora a chi hai dimenticato e ti aspetta ancora ...
– das macht das Lied für mich zu einem der schönsten der letzten Jahre. "A cosa pensi" war allerdings nicht der einzige bezaubernde Titel auf diesem Album: zu den Highlights gehörten die MARC ALMOND-Cover-Version "Mother Fist", der französische Chanson "Les Amants du St. Jean", den schon EDITH PIAF gesungen hat, die Originalnummer "You Haven't Changed" und "Ferro e Fuoco". EUSKI und CANDELA lieben es, die nostalgische Atmosphäre von Kabaretts der 20er- und 30er-Jahre, von zwielichtigen Bars und dekadenten Nachtclubs zu evozieren. Bevorzugte Instrumente dieses "dark folk-cabarets" (so die Eigendefinition) sind Akkordeon, Gitarre und Glockenspiel, die die mal rauchig-verruchte, mal sanft-romantische Stimme von EUSKI begleiten. Am 5. Dezember waren die beiden im Berliner "Depot" zu sehen, einem recht heruntergekommen Laden irgendwo im wilden Osten in der Nähe des Ostkreuzes.
Das Duo war kaum aus dem Flugzeug gepurzelt, als es schon im Anschluß an die deutsche Neofolk-Gruppe STEIN auf die Bühne gerufen wurde. Trotz des kurzfristig angesetzten Soundchecks war die Akustik hervorragend und brachte die für die Lieder der Gruppe so wichtige Stimme von EUSKI optimal zum Einsatz. Trotz ihrer Beteuerungen, "very excited" zu sein, war sie schnell in ihrem Element und sang mit sichtlicher Hingabe und Konzentration. Für die angemessene Atmosphäre sorgten die schönen Film- und Bildprojektionen: Fotographien von Husaren aus den versunkenen Tagen Kaiser Wilhelms, Szenen aus den Schützengräben des 1. Weltkriegs, Rudolph Valentino beim Tango in "The Four Horsemen of the Apocalpyse", Helmut Berger im Drag in Viscontis "Die Verdammten", Charlotte Rampling in "Der Nachtportier", Jeanne Moreau in "Querelle - Ein Pakt mit dem Teufel", aber auch Ausschnitte aus dem in der Region Emilia-Romagna gedrehten Grusel-Geheimtip "La casa dalle finestre che ridono" ("Das Haus der lachenden Fenster").
Das Programm bestand etwa zur Hälfte aus Songs vom Debütalbum und von "Femmina", der neuen CD von ROMA AMOR. Leider gibt es im Beiheft zu der CD weder Texte noch Übersetzungen, was schade ist, denn "Femmina" ist als Konzeptalbum angelegt, auf dem jedes Lied die legendenhafte Geschichte einer anderen Frau erzählt, zumeist aus der Heimat von EUSKI und CANDELA. Gesungen werden die Lieder zum Teil im Dialekt der Region, der unter Italienern als besonders erdig und urwüchsig, ja vulgär gilt. Dabei geht es zum Teil wie gehabt dunkel-romantisch, zum Teil recht makaber zu:
- "La Guerriera" (mit einem eingebauten TUXEDOMOON-Zitat) etwa schildert die Geschichte eines Mädchens, das sich im Zweiten Weltkrieg den Kopf schert und in eine Uniform schlüpft, um glücklos ihrem eingezogenen Geliebten nachzureisen; eine ähnliche Geschichte, diesmal aus dem Spanischen Bürgerkrieg, erzählt "Settimane Spagnole".
- "La Belda" mit einem schrägen Akkordeon als Grundmotiv erzählt die lokale Legende einer selbsternannten "Hexe", bei der man Flüche und Liebeszauber "bestellen" konnte;
- "La Borda" ist ein Nebelgeist, der sich seine Opfer unter unachtsamen Wanderern am Flußufer sucht;
- "La Zirinelda" war eine gefürchtete Verrückte, die dem Fleischer die Kuheingeweide zu klauen pflegte, um damit Kinder zu erwürgen;
- "Lo Lo Lo" ist eine spöttische Dialekt-Kaskade aus Hänseleien, die sich kleine Mädchen an den Kopf zu werfen pflegen ("Little girls can be bitches too", erklärte EUSKI auf dem Konzert);
- "Azzurina" ist der Geist eines Albino-Mädchens, das aus abergläubischer Furcht auf dem Schloß Montebello bei Rimini gefangengehalten wurde; im manchen Sommersonnenwendenächten soll man sie noch um Hilfe schreien hören können;
- "Ela Vera" ist ein Sprachspiel im Dialekt, über die Schwierigkeit, das richtige Wort zu finden;
- etwas abstrakter ist der Titelsong "Femmina", nach Auskunft der Gruppe eine Art "Stilleben" über "die Frau als Opfer";
- der einzige Nicht-Originaltitel, das JAPAN-Cover "Nightporter", schließt das Album ab.
Der Sound ist voller, selbst- und stilsicherer als auf dem Debütalbum, das in mancher Hinsicht noch provisorisch und vorantastend wirkte. Während jenes atmosphärisch in verrauchte Hafenspelunken, Bordelle und verregnete, nächtliche Straßen entführte, gleicht "Femmina" über weite Strecken eher einem Gang in einen finsteren Wald und in menschenleere Dörfer auf dem Lande. Ein wunderbares, magisches Album, gerade richtig für die dunkle Jahreszeit. Bestellen kann man es direkt bei OLD EUROPA CAFÉ.
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Verweise zum Artikel:
» ROMA AMOR auf Myspace
» "Der treue Husar" (Live in Berlin 2009)
» "Lo Lo Lo" (Live in Berlin 2009)
» "Mother Fist" (Live in Rotterdam 2009)
» Old Europa Café
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