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Michael We.

MASKA GENETIK: Strada

Russische Verzweiflung unter dem ARAFNA-Dach


MASKA GENETIK: Strada
Genre: Angst Pop
Verlag: Galakthorrö


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Dieses Album ist neu und doch nicht. Das Ein-Mann-Projekt MASKA GENETIK galt lange als eines der hoffnungsvollsten auf GALAKTHORRÖ. 2004 steuerte der Russe AMON RADEK zwei Beiträge zum Labelsampler "Kosmoloko" bei, zwei Jahre später erschien die Debütsingle "Quarantine" mit vier Songs. RADEKs Karriere als Musiker begann am Bass in einer (mir nicht bekannten) Band. Ende der 1990er-Jahre wandte sich der Russe industriellen Klängen zu und startete MASKA GENETIK, zunächst ausgerichtet am großen Vorbild DEUTSCH NEPAL. Einmal in akustischen Kontakt gekommen mit NOVEMBER NÖVELET, so die Labelaufzeichnungen, habe AMON RADEK aber sein damaliges Equipment verkauft und sich analoge Synthesizer angeschafft, um fortan den typischen GALAKTHORRÖ-Sound zu produzieren; später dann zu hören auf Sampler und Single.
Zum erhofften Vollzeit-Debüt kam es nie, und was das Label dazu schreibt, klingt nachgerade dramatisch: Dem Russen sei auf der Suche nach dem Glück sein düsteres Verhältnis zum Leben zum Verhängnis geworden. Offenbar hatte der Perfektionist zwischen 2002 und 2005 als MASKA GENETIK einige Tracks aufgenommen, mit denen er aber nie vollständig zufrieden war. Schließlich kapitulierte er und ließ seine musikalische Arbeit ruhen. Die Hoffnung von GALAKTHORRÖ, RADEK würde irgendwann einmal die Stücke erneut in die Hand nehmen, bestätigte sich nicht. Deshalb haben sich MRS. and MR. ARAFNA, Inhaber des gleichnamigen HAUSes und in persona Betreiber des Braunschweiger Labels, dazu entschieden, das musikalische Vermächtnis von MASKA GENETIK nun im Ist-Zustand zu veröffentlichen. Weit entfernt ist dieser Nachlass allerdings davon, wie eine halbfertige Produktion zu klingen. Wo noch hätte nachgebessert werden müssen, bleibt wohl das Geheimnis von AMON RADEK.

"Strada" ist etwas weniger düster und geheimnisvoll als die Stücke auf der Single, eher industriell und rhythmisch wie "Ocean" auf dem "Kosmoloko"-Sampler. Zwar lebensverneinend, wie es im Infotext heißt, aber manchmal mit wippenden Zehen.
Das Intro steigt aus der Tiefe nach oben und beschert uns einen stampfenden, analog wummernden Rhythmus, begleitet von Drones und typischen GALAKTHORRÖ-Schreien. Für viele der folgenden Songs gilt eine Beobachtung: Sie beginnen mit Melodien, welche einen NÖVELET-Verlauf erwarten lassen, also durchaus beschwingt und angemessen poppig. Allerdings werden die Klänge mit ARAFNA-Mitteln erzeugt, also mit harschen, krachenden und noisigen Sounds.
Herausragend ist "Ernste Stunde" (02), die Vertonung eines RILKE-Gedichtes. (Bestandteil unserer NONPOP-Playliste April / Mai!) Aus geisterhaftem, industriellem Scheppern schält sich ein Beat, verzweifelt blafft RADEK den Text dazu ("Wer jetzt weint irgendwo in der Welt [...] weint über mich.") Ein Clubhit, keine Frage. Zerfaserter, schriller ist "Melanoma" (03), der Rhythmus schleppt sich zusammen mit kratzigen Loops durch die verzerrte Stimme. Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich "Strada", den melodiösen, dennoch düsteren Industrialsongs und den wabernden, verzweifelten und weniger klar strukturierten Stücken. Manchmal passt auch beides zusammen in einen Song, "Spring Is Coming" (07) etwa schabt und kratzt, die Stimme liegt geisterhaft in der Luft, und auf halber Strecke lugt ein tonnenschwerer Rhythmus hervor. Im letzten Drittel überwiegt brutale, noisige Kakophonie, bevor RADEK sich mit einem ganz großen Song fast versöhnlich, wärmend verabschiedet. "Bridge To Nowhere" (12) könnte auch von ANTLERS MULM stammen, allerdings beendet kurz vor Schluss ein derbes Rauschen die morbide Träumerei.

Todessehnsucht? Die verzweifelt vorgebrachten Lyrics, die klaustrophobische Atmosphäre und die warmen, fast friedlichen Passagen lassen diesen Schluss durchaus zu. MASKA GENETIK bildet die Schnittstelle zwischen ARAFNA und NÖVELET, analoger Angst-Industrial auf hohem Niveau und ohne erkennbare Schwachstelle; jedes Stück hat seinen Reiz. Wie schade, dass dies gleichzeitig Debüt und Nachlass sein soll. Wobei GALAKTHORRÖ insgeheim immer noch Hoffnung hegt: Seine alten Sowjet-Synthesizer hat AMON RADEK angeblich bis heute nicht verkauft...

 
Michael We. für nonpop.de



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